"Hätte die österreichische Melancholiker-Grantlerseele ein Kind mit
der popkulturbesessenen Welt des Internets, wäre es Tim Turbo."
- New Ork Times -

Gute Frage. Die kurze Antwort: Tim Turbo ist eine surreale, österreichische Webserie, die wir (Moritz, Patrik und Georg) seit 2014 komplett eigenständig produzieren und umsetzen. Ursprünglich (mittlerweile immer weniger) angelehnt an Thomas Brezina's Tom Turbo, dreht es sich in Tim Turbo um:
  • TIM: der sprechende, depressive, schmierölabhängige Ventilator 
  • THOMASAlkoholiker, Wissenschaftler, Kettenraucher, Grantler, und Tim's Boss & Erschaffer 
  • LUKASdas 10jährige Scheisskind 
Die drei leben als dysfunktionale WG gemeinsam in ihrem "Detektivbüro" (obwohl sie nie wirklich Fälle lösen) in Wien, und erleben regelmäßig wirre Abenteuer quer durch die Popkultur aller Genres dieser Welt und der österreichischen Kultur, gelegentlich im Konflikt mit ihrem Erzfeind Fritzl Fantom. 

 

Hier die lange Antwort, die ein bisschen mehr in die Tiefe geht - was mir eigentlich wichtig ist an Tim Turbo, was ich an Gedanken reinstecke, wieso ich es mache, und so weiter.

Ich hab ziemlich lang darüber nachgedacht worum es in Tim Turbo eigentlich geht, was das große Thema ist, das sich durch die ganze Serie zieht, die "core message". Denn ich glaub dass jede Serie und jeder Film eine hat. Das war mir anfangs nicht klar weil ich alles sehr aus dem Bauch heraus mache, und das Thema eher unbewusst seinen Weg reingefunden, sich aber langsam immer klarer herauskristallisiert hat. Tim Turbo's core message hängt damit zusammen, dass man leicht Nostalgie verfallen kann, Sachen aus der Vergangenheit nachtrauern und sich eine schönere alte Zeit zurückwünschen, in welcher Art auch immer. Ich denke, das ist derzeit ziemlich weit verbreitet, dieses Zurückblicken auf "bessere" Zeiten - was ich in vielen Auslegungsarten für sehr kontraproduktiv halte. Erstens bringt es einen als Person auf Dauer einfach nicht weiter, aber zweitens und viel wichtiger, kann man sich und das Potential das man hat auf diese Weise selbst zerstören. Man steckt in einem Limbo der Erinnerung fest, anstatt Sachen zu verarbeiten, hinter sich zu lassen, daraus zu lernen und Neues anzugehen. Nach vorn schauen wird immer schwieriger habe ich das Gefühl - im Allgemeinen - weil wir als Gesellschaft (denke ich) aus irgendeinem Grund gerade in einer Zeitbubble festsitzen, in der wir schwer Prognosen über die Zukunft anstellen können, oder worauf wir uns einstellen können. Oder wir können es, und ziehen uns gerade deswegen zurück in die Vergangenheit, aus Angst dass es nur schlimmer werden kann. Nostalgie ist ne fucking Droge, Realitätsflucht par excellence. Und dieser Tom Turbo Mantel unter dem Tim Turbo existiert ist meiner Meinung nach eine gute Rahmenbedingung um das darzustellen - eine alte Kinderserie, an die die damit Aufgewachsenen heute noch gern zurückblicken. Vielleicht auf eine ironische Weise, weil...Tom Turbo ja dezent sinnfreier Trash ist (no offense, Thomas), aber das macht eigentlich keinen Unterschied, die Nostalgie ist dieselbe.



Also ja, die Gefahren der Nostalgie und die Unfähigkeit mit der Vergangenheit abzuschließen.


Wie äußert sich das in Tim Turbo? In jedem einzelnen Charakter und fast jeder Storyline. Thomas war in seinen golden days in den 80ern ein genialer Wissenschaftler, glücklich, als Kinderbuchautor und Kinderfernsehmoderator berühmt, und wollte sich mit der Erschaffung von Tim und Lukas seinen Kindheitstraum eines wortwörtlich wahrgewordenen Kinderbuchs erfüllen, in dem er selber Protagonist ist. Für eine Weile lief es auch ganz gut, sie waren im Kinderfernsehen gut unterwegs und prominent, hatten Spaß, und so weiter und so fort. Aber things got quite messy. Ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen, sie haben alles verloren, Thomas wurde Alkoholiker, Choleriker und Kettenraucher, Tim wurde drogenabhängig und depressiv, und Lukas ist als naives Kind mittendrin in der ganzen verbitterten Misere. Schuld an dieser Situation ist Thomas selber, womit er nicht umgehen kann und unfähig ist die schöne alte Zeit hinter sich zu lassen und neu zu beginnen. Tim und Lukas sind quasi mit ihm mitgefangen. Folge 16 bringt bis jetzt das ganze Vergangenheitsbewältigungsthema eh am besten auf den Punkt finde ich. Fritzl Fantom ist auch so eine Sache. Er war ursprünglich ja der erste, originale Lukas, und auch er kann nicht beginnen sein eigenes Leben zu leben, weil er zu sehr besessen davon ist, sich für seine schlimme Vergangenheit an Thomas zu rächen. Und jetzt ist er eigentlich nur ein in der Zeit steckengebliebenes Kellerviech.

So "deep" das jetzt auch vielleicht klingt, in erster Linie geht es in Tim Turbo natürlich immer noch darum, dass es silly fun ist und Spaß macht. Ich glaube oder erwarte auch nicht, dass irgendjemand diese ganzen Gedanken zu Nostalgie und Vergangenheit in der Serie erkennt und aufgreift, weil sich das alles in der Serie nicht prominent und auf den ersten Blick ersichtlich in den Fokus drängt. Mir ist es aber unabhängig davon wichtig, dass diese Themen immer vorhanden sind, denn ich bin überzeugt davon dass dieser Funken an existentiellem Drama ein wichtiger Bestandteil für die Serie und wie sie wirkt ist.

Wegen "core message" noch was. Der Begriff core message ist an sich eh scheisse, weil das impliziert dass man eine einzige Sache zu sagen hat und that's it, und natürlich gibt's in Tim Turbo viel mehr als nur das Nostalgieding. Hab das nur so formuliert cause i'ts easier and shorter and snappier to write. Es steht für aaaall den shit den man sich denkt der hinter einem Produkt steht, der vielleicht nicht einmal eindeutig erkennbar ist, aber spürbar.
Wie gsagt, ich glaub nicht dass sich irgendwer das denkt wenn er Tim Turbo schaut. Aber ich denk das ist ein Thema das sich durchzieht. Die Vergangenheitsbrille verzerrt die Gegenwart und damit auch die Zukunft auf schirche Weise.



Btw punkto Nostalgie, weil's auch irgendwie passt und ich es interessant find. Die 80er waren eine Zeit in der die Technologie begrenzt war und man in Medien, SciFi, Musik und co davon träumte wie eine Welt aussieht wo Technologie unbegrenzte Möglichkeiten bietet. Heute haben wir quasi unbegrenzte Möglichkeiten mit Technologie und Medien, und nutzen das um von den 80ern zu träumen. Ich mag die Ironie da irgendwie. Looking at you, Ready Player One, you fuck of a movie and even bigger fuck of a book.